Tuesday, December 25, 2007

Person des Jahres

Das "Time magazine" hat Putin zur "Person des Jahres 2007" erkoren. Welche Freude uns ergreift wenn eine solche Neuigkeit uns erreicht! -Wissen wir doch, dass dieser Mann es wirklich verdient hat. Denn wie kein anderer hat er in letzter Zeit ein Land verändert: Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Zensur der Medien, Jagd auf Journalisten, Verstärkung des bürokratischen Apparats, Vergrößerung der Korruption, Monopolisierung der Wirtschaft, Einmischung des Staates in wirtschaftliche Prozesse, das sind nur einige seiner Errungenschaften.

Die Leute von "Time magazine" wissen natürlich, dass die aufgezählten Veränderungen nicht gerade zu den Tugenden des Präsidenten gehören. Den Titel hat er auch nicht deshalb bekommen, weil er die Menschenrechte in Russland mit Füßen tritt, lügt, und seine "Freunde" regelmäßig gegen die Gesetze verstoßen. Nein. Laut "Time magazine" hat Putin den Titel bekommen, weil er in Russland Stabilität erreicht haben soll. Und diese braucht der Russe wie die Luft zum Atmen. Gibt es keinen Herren im Haus, so verliert der Russe die Orientierung, weiß nicht mehr wohin, was zu machen ist. Stabilität ist im Moment, so die Vorstellung von "Time magazine", eben wichtiger, als Demokratie.
Es entsteht der Eindruck, dass alle anderen Länder mit Demokratie umgehen können, nur Russland nicht. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte des Landes, könnte man denken. Immer gab´s einen Herren im Haus. Ohne ihn geht es nicht. Doch erinnern wir uns mal an Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Die Deutschen haben sehr schnell begriffen, was Demokratie ist. Man muss eben die richtigen Vorkehrungen treffen: z.B. wären da die Nürnberger Prozesse zu erwähnen. Veranstalte man in Russland einen "Nürnberger Prozess", säße ein Großteil der Apparatschiks, -der früheren (noch zu Sowjetzeiten), sowie heutigen Machtelite, im Gefängnis.

Ohne "Nürnberg" eben keine Demokratie! Dafür eine "Stabilität", hervorgerufen dadurch, dass die Machtelite der Apparatschiks die der Oligarchen in den Neunzigern abgelöst hat. Aber woher, bitte schön, soll denn die Stabilität gekommen sein?! Vielleicht sollte der Westen seine Augen von dem Erdöl und Erdgas auswaschen und genauer hinschauen: Kontrolle über die Medien schafft bei weitem keine Stabilität. Durch die Medien wird den Menschen im Land suggeriert, dass das System stabil ist. Aber wie es aussieht, fällt auch der Westen darauf rein. Dass aber in Wahrheit die Apparatschiks, die Putin wie in den Neunzigern ausgehungerte Hunde nun aus ihren Käfigen rausgelassen hat, im Land regieren und das Land aussaugen und extrem instabil machen, z.B. durch eine aufgeblähte korrupte Bürokratie, die das wirtschaftliche Wachstum stark abbremst und dafür sorgt, dass Gelder aus korrupten Taschen ins Ausland transferiert werden, wird nicht beachtet.

Es bleibt uns dem russischen Präsidenten zu seinem "ehrlich" erworbenen Titel zu gratulieren und hoffen, dass die "Stabilität" auch weiterhin seinen Titel rechtfertigt. -Zumindest solange der Öl-Preis nicht absinkt.

Monday, December 24, 2007

Repressionen in der Weihnachtszeit

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Während im Westen Weihnachten gefeiert werden und die Nachrichten mit Jahresrückblicken voll sind, schaltet der Machtapparat in Russland auf volle Leistung. Allein in der letzten Woche gab wie "Echo Moskvy" berichtet Zwangseinweisungen in die Armee und größere Verhaftungen von Oppositionellen von denen hier die Rede sein soll.

Angefangen haben die Verhaftungen mit einer kleinen, angemeldeten Demonstration gegen die Zwangseinweisung von Oleg Kozlovsky, über die ich im letzten Post geschrieben habe . Auf dieser Demonstration wurde, offenbar grundlos der Aktivist der "Freien Radikalen", Sergey Konstantinov, einer gewaltfreien Organisation die sich in Russland für Menschenrechte und insbesondere die Gleichberechtigung von Homosexuellen einsetzt, festgenommen. Er wurde von der Polizei bei seiner Verhaftung schwer verprügelt und er wurde daraufhin ins Krankenhaus gebracht.

Konstantinov wurde von einem Gericht, dass unter anderem die Aussagen von 5 Zeugen(allen Entlastungszeugen) nicht zugelassen hat, dann zu 15 Tagen Haft verurteilt. Die dabei im Saal anwesende vier Freunde von ihm wurden gleich mit verhaftet. Dabei wurden ihnen die Handys abgenommen, was illegal ist. Heute müssen sie selbst vor Gericht. Es soll sich jeder 3 mal überlegen, bevor er zum Gerichtsvefahren seiner Freunde geht, um dort auszusagen.

Diese Informationen habe ich aus den russischen Blogs und Nachrichtensendern wie "Echo Moskvy" entnommen. Diese sind für mich absolut vertrauenswürdig.

Während man in Russland weiß, dass die Nachrichten in der westlichen Welt von anderen Themen beherrscht werden, wird ohne Rücksicht auf irgendjemanden die harte Linie gefahren. Das zeigt, wie wichtig die Aufmerksamkeit des Westens für die Opposition Russlands ist.

Update: Gestern hat das Gericht das Urteil gegen Sergey Konstantinov revidiert. Er kann nun doch das Silverster (ähnl. wie Weihnachten in Deutschland) bei seiner Familie verbringen. Sicherlich ist das, als Erfolg der lauten Kritik der Opposition zu werten.

Saturday, December 22, 2007

Politischer Gegner zwangseingewiesen

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Oleg Kozlovsky, Gründer der oppositionellen Bewegung "Oborona" (rus. Verteidigung), wurde vor einigen Tagen gegen seinen Willen von der Polizei zum Voenkomat (ähn. Kreiswehrersatzamt) gebracht und in die Armee zwangseingewiesen. Diese Zwangseinweisung ist rechtswidrig, da Oleg bereits an der Universität, wie andere Studenten, die militärische Ausbildung absolviert (voenaja Kafedra).

Um gegen die rechtswidrige Einweisung zu protestieren, hat Kozlovsky sofort einen Hungerstreik erklärt. Daraufhin wurde er in dieser Nacht von seinem ursprünglichen Einsatzort in der Moskauer Umgebung nach Ryasan verlegt. Dies bestätigte auch seine Mutter in einem Interview dem Radio Sender "Echo Moskvy".

"Oborona" ist eine Vereinigung junger Erwachsener, meist Studenten, die Ihre Freiheiten im jetzigen Regime beschränkt sehen und für deren Erhalt bzw. Wiedererlangen einstehen. Oleg Kozlovsky hat hier die Motive der von ihm begründeten Bewegung in English geschildert. "Oborona" ist Teil des Bündnisses "Anderes Russland".

Eine Einweisung in den Wehrdienst ist für einen intellektuellen Moskauer, insbesondere wenn der Dienst weit ab von der Hauptstadt abgeleistet werden soll, ein Vorgang, der den Menschen in eine lebensbedrohliche Situation bringt. Auf dem Land werden Moskauer grundsätzlich beneidet, da der Lebensstandard in Moskau den russischen Durchschnitt um ein Vielfaches übersteigt. Aber auch ohne dies ist der Wehrdienst in Russland eine tödliche Angelegenheit. Es sterben hierbei jährlich mehr Soldaten als Amerikaner im Irakkrieg! Folterungen, Beleidiungen, Prügel der schlimmsten Art sind Alltag in der russischen Armee (ich bin im Moment auf der Suche nach einer Statistik).

Hier nur Einiges, was in die Öffentlichkeit geschafft hat: Es gibt Fälle von Wehrpflichtigen, die zuerst verprügelt werden, dabei Knochenbrüche in den Beinen und dem Unterleib- Bereich erleiden, und dann ohne Nahrung und medizinische Hilfe auf einem Fleck in der Kaserne hinterlassen werden, um dort nach 3 Tagen grauenvoll zu enden. In einem anderen Fall wurde der Verprügelte den Hunden zum Fraß vorgeworfen und von diesen fast restlos verspeist. So etwas kennen wir hier nur aus Horrorfilmen. Das sind aber nur die schrecklichsten Schicksale. Es gibt Hunderte, die sich erhängen, aus dem Fenster springen, oder anders den Peinigern zuvorkommen.

Diese Einweisung ist eine echte Verschlimmerung der Lage der Oppositionellen in Russland. Zwangseinwesungen, gut bekannt aus den Sowietzeiten, wurden in der Putinzeit bisher nur gegen radikale Gruppierungen, wie die Nationalbolschewiken angewandt. Diese kämpfen zwar auch mit Kasparow im Bündniss "Einiges Russland", sind aber gewaltbereit und sehr radikal. "Oborona" hingegen ist eine liberaldemokratische Vereinigung, hervorgegangen aus jugendlichen "Jabloko" Flügel.

Update: Oleg wurde letzte Woche von der medizinischen Kommision der Armee für nur bedingt wehrtauglich befunden, d.h. er wird nur im Kriegsfall eingezogen. Sobald dieses von einer ausführenden Stelle der Armee bestätigt wird, soll er frei kommen.
Er scheint Glück gehabt haben.

Nichts desto trotz, die Verein der Soldatenmütter spricht von über 3000 illegal Eingezogenen in der Zeit vom Oktober bis Dez 2007.

Saturday, December 15, 2007

"Wir werden die 5. Duma auflösen"

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Heute erklärten drei oppositionelle Präsidentenkandidaten, Vladimir Bukovsky, Mikhail Kasjanov und Boris Nemzov , sie würden im Falle des eigenen Wahlsiegs, die am 2. Dezember gewählte Duma wieder auflösen und schnellst möglich Neuwahlen anordnen. Diese würden dann unter Bedingungen der "ungehinderten Meinungsäußerungen, Transparenz und Chancengleichheit aller Parteien durchgeführt".

In Russland laufen derzeit Vorbereitungen für die Wahl des Präsidenten. Die Anwärter sind aufgerufen sich zu registrieren. Dazu ist zuerst nötig, dass eine Gruppe von mindestens 500 Personen offiziell ihre Unterstützung des Kandidaten im Wahlkampf ankündigt. Und das ist nicht einfach wenn der Gegner FSB heißt.

So hatte Gari Kasparow in dieser Woche angekündigt nicht an der Präsidentenwahl teilzunehmen. Er konnte keine Räumlichkeiten für die Versammlung seiner Initiativgruppe finden. Wurde eine Räumlichkeit angemietet, gab es Anrufe von FSB Leuten, die "Schwierigkeiten" androhten. Aber auch andere Oppositionelle haben erklärt nicht für das Präsidentenamt zu kandidieren. Weder Ryzhkov, noch Gregori Jawlinski (Jabloko) werden kandidieren. Die Partei Jabloko hat gestern sogar öffentlich Ihre Unterstützung für den Kandidaten Vladimir Bukovsky bekundigt. Das verleiht ihm ein sehr viel höheres Gewicht.

Die Gründungssitzung seiner Initiativgruppe die gestern stattfinden sollte, wurde nur einige Minuten vorher abgesagt. Die Personal hat offen davon erzählt , dass Männer vom FSB reinkamen und anfingen alles zu kontrollieren. Jetzt weicht man aus, auf das Sakharov Center. Eine der wenigen unabhängigen Einrichtungen in Moskau.

Es zeichnet sich folgende Entwicklung ab. Kasjanov mit der stärksten Lobby wird es wahrscheinlich schaffen die nötigen über 2 Mio gültige Unterschriften zu sammeln um sich für die Wahl aufstellen zu lassen, die zweite Hürde nach dem neuen Wahlgesetz. Bukovsky wird wahrscheinlich mit juristischen Argumenten an seiner Aufstellung gehindert werden. Er hat zwei Staatsbürgerschaften. Das ist nach aktueller Gesetzeslage (angefochten im Verfassungsgericht) ein Grund, um ihm die Registrierung zu verweigern.

Wenn alle anderen wichtigen oppositionellen Kandidaten auf Ihre Kandidaturen verzichten, und bis auf Nemzov haben es alle wichtigen schon getan, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es bei der Wahl einen einzigen Kandidaten der demokratischen Opposition geben wird. Das ist ein großer Traum vieler Oppositioneller.

Der Kandidat hätte die Chance genügend Menschen für Menschenrechte und Freiheiten zu mobilisieren, politischen Druck aufzubauen und die Oppositionsbewegungen in Russland zu bündeln.

Tuesday, December 11, 2007

Sprachliche Assoziationen

Man hätte den Namen des zukünftigen Präsidentenkandidaten schon vorher wissen können. Es gab reichlich Andeutungen.

Sein Nachname ist nämlich "Medwedew", das kommt vom Wort "Medwed" also "Bär" auf Russisch.

Nun die Partei "Einiges Russland", die bei den letzten Dumawahlen 64% geholt hat, hat einen großen Bären in Ihrem Logo. Dieser wird auch gern zu Werbezwecken umgewandelt und genutzt.

Wen das allein nicht überzeugt. Die erst kürzlich gegründete (aber noch vor der Ernennung von Medwedew zum Wunschkandidaten) regierungsfreundliche Organisation "Mischki" für 8-15 jährige, Oktoberkinder lassen grüßen, heißt nichts anderes "Bärchen".

PS.: Alles natürlich nur als Spaß. Man muss aber schon sagen, dass insbesondere in FSB Kreisen man die Verschwörungstheorien liebt.

Monday, December 10, 2007

Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für Russland

Ist es zu fassen?! Unglaublich, Medvedew ist der Nachfolgekandidat für die russische Präsidentschaft.
Ich kann es eigentlich noch nicht glauben. Diese Nachricht sind eigentlich zwei Nachrichten. Erstens Putin hat Medwedews Präsidentschaftskandidatur unterstützt, und 4 Parteien, darunter "Einiges Russland" und "Gerechtes Russland", unterstützen ihn.

Aber noch viel wichtiger, PUTIN wird tatsächlich das Amt aufgeben.

Ich hoffe sehr dass es kein Trick ist. Das wäre ein sehr wichtiger großer Schritt für die russische Demokratie. Aber im Innern traue ich dem großen Glück noch nicht.

Lasst uns die Reaktion Iwanovs und der "Silowiki" abwarten.

Monday, December 3, 2007

Niederlage als Sieg?

Die russische Opposition liegt in diesen Tagen zerstört am Boden. Die Wahlen wurden haushoch verloren. Der Staatsapparat hat freie Meinungsäußerung unterdrückt. Nicht einmal in Moskau ist die Wahl ohne Vorfälle verlaufen.
Von geheimen Wahlen konnte keine Rede sein, auf vielen Wahllokalen, waren nicht einmal Kabinen vorhanden. Einige "richtige" Wähler konnten mittels besonderer Ausweise (leider fehlt mir die Übersetzung), sich in unterschiedlichen Wahllokalen anmelden und so mehrmals wählen. Diese sind dann mit Busen vom Wahllokal zum Wahllokal gefahren worden.

Welche Maßnahmen in Tschetschenien oder Dagestan durchgeführt wurden, dessen Bevölkerung mit 99.4 bzw. 88.9 Prozent für "Einiges Russland" gestimmt haben soll, und das bei einer Wahlbeteiligung von 99.5 bzw. 91.5 Prozent, bleibt unbekannt. Glauben Sie, dass die Tschetschenen, die fast wöchentlich in Straßburg Fälle gegen die russische Regierung gewinnen, in welchen der letzten Maßenmord nachgewiesen wird, für Putin stimmen?

Andere können gar nicht anders reagieren als öffentlich Kritik zu üben, wie es die Deutsche Regierung heute getan hat, dazu ist das Ausmaß des Wahlbetrugs einfach zu groß.

Und wozu das ganze?! Regierungsfeindliche Beobachter berichten in den Blogs von einem ca. 10% der Bevölkerung deren Stimme illegalerweise an "Einiges Russland" ging. Wenn sogar das wahr ist, hätten die Putinparteien eine komfortable Mehrheit (sogar 2/3 Mehrheit) gehabt.

Die gute Antwort ist, Putin wollte lediglich Macht demostrieren. Die schlechte, er will die Verfassung grundlegend Ändern und wollte dazu einen Legitimationsschub kriegen.

Was macht jetzt aber die Opposition. Da gibt es oppositionelle Stimmen wie, zum Beispiel Stanislaw Belkowski, Leiter des Nationalen Strategie Institutes, er kommentiert den Ausgang der Wahl so:
"Es gibt kaum einen merklichen Unterschied der letzten Dumazusammensetzung von der neuen. Beide waren putinhörig. (...) Aber die Parteien wie Jabloko und SPS, denen ich schon vor einem Jahr prophezeit habe, dass sie massive Wahlverluste hinnehmen werden, wenn sie ihre Strategie nicht wechselten. Die haben ihre eigenen Süppchen gekocht und gehofft mit ein wenig Kritik durchzukommen. Jetzt müssen sie miteinander sprechen."

Bis zu den Präsidentenwahlen am 2. März 2008 ist noch ein bisschen Zeit. Der offizielle Präsidentenwahlkampf hat zwar schon begonnen, aber vielleicht kann dieser die Opposition zu einem Dialog zwingen und Zivilgesellschaftliche Kräfte in Russland bündeln.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Saturday, December 1, 2007

Ein Tag vor der Wahl in Russland

Ich komme dem vielen Geschehen in Russland nicht nach. Es gibt gleichzeitig einige gute Berichte mit Informationen zu Russland vor der Wahl. Ich bin wirklich überrascht über die Qualität von Spiegel Online (SPON). In Bezug auf Russland scheinen die ganz andere Qualität abzuliefern als sonst manchmal.

- [DIE ZEIT] Sehr interessanter Kommentar zur Dumawahl von Jahannes Voswinkel

- [ARTE & SPIEGEL] Sehenswerte Videoreportage


- [SPON] Interessanter Artikel über Perm, eine Großstadt in Sibirien in der die Zivilgesellschaft eine Chance zu haben scheint

- [SPON] Artikel über Maria Gaidar von der Partei SPS



- [SPON] Artikel über den finanziellen Aspekt der Dumawahl

Friday, November 30, 2007

Wahlergebnisse 3 Tage vor der Wahl bekannt, Aufrufe zur Verteidigung werden gedruckt

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com

(Quelle: ej )
In der russischen Blogsphere kursieren im Augenblick Flyer, die von der Bewegung "Nashi" stammen sollen.
Der Text des Flyers:
1. Seite:


"Am 2. Dezember wählten wir Präsident Putin zum Nationalen Anführer Russlands.
Der Präsident und seine Partei siegten mit niederschmetterndem Ergebnis. Sie siegten genau so erfolgreich, wie sie in den vergangenen 5 Jahren die Terroristen in Tschetschenien besiegten, Russlands Aussenschulden beglichen, den Respekt für unser Land wiedergewannen, sich die Vorkommen in Sahalin 2 zurückholten und wie Sie Sotschi 2014 erkämpften."

Seite 2:


"Die USA hatten einen anderen Plan. Sie wollten den Sieg von Dieben und Verrätern, des Amerikaners Kasparow, des Faschisten Limonov und des Verkäufers unseres Landes Nemzov. Sie alle sind mit dem Sieg des Präsidenten nicht einverstanden. Die Verräter würden gern die Macht an sich nehmen, um Russland in die oligarchische und gesetzlose Zeit der 90er zurück zu bringen. Alles damit die Gauner und Diebe des Staatseigentums wieder unseren Staat ausrauben und unser Gas und Öl für mikrige Preise an den Westen verkaufen können.

Vom 3. bis zum 6. Dezember, bis zur Verkündung der offiziellen Wahlergebnisse, werden sie versuchen Plätze und Gebäude einzunehmen, Unruhen zu provozieren und uns den Sieg weg zu nehmen.

(Unten in rot)
Du kannst das alles im Fernsehen verfolgen. Du kannst dich zusammen mit uns, der Mannschaft des Präsidenten, zum Schutz der Unabhängigkeit unseres Landes erheben und den Veteranen ebenbürtig sein, die sich mit uns erheben werden.

In diesen historischen Zeiten ist es an Dir zu entscheiden wie Du leben wirst.

Komm raus zum Schutze des Landes! Erkämpfe Dir das Recht in der Manschaft des Präsidenten zu sein!

Ruf an unter..."

Kommentar


Ich halte den Bericht über diesen Flyer für absolut glaubwürdig und glaube nicht dass es eine Fälschung sein könnte. Der Grund ist einfach, ich habe schon einige von solchen Flyern selbst gesehen und einen auch in der Hand gehalten. Die Rhetorik und das Erscheinungsbilg sind die gleichen.

Was folgt daraus:
Der Flyer wird jetzt gedruckt. Das heißt die Ergebnisse der Wahlen stehen jetzt schon als "niederschmetternd" fest.
Die Ergbenisse werden also gefälscht sein. Man bereitet sich jetzt schon auf die physische Unterdrückung der Protestierenden vor, indem man ihnen wie immer selbst Provokation vorwirft.
Angst machen einem die Aufrufe zur Verteidigung, diese sehe ich aber in dieser Form nicht zum ersten mal.

Ich hoffe, dass dieser Flyer dem deutschen Leser einen Eindruck vermittelt, wie die Fronten in Russland stehen, was für ein Bild nach Innen projeziert wird.
Wie sinnvoll ist es dieses Regime gewähren zu lassen?!

Update: Dieser Flyer wurde wie von "Die Zeit" berichtet wird, tatsächlich eingesetzt und verteilt! Hier gibt es einen Link


Monday, November 26, 2007

Zerstörung von Wahlplakaten in Inguschetien

In Inguschetien , einer kleinen Teilrepublik Russlands, kommt es in diesen Tagen zu einem öffentlichen Widerstand gegen die Partei "Einiges Russland". Wie von ingushetiya.ru berichtet, wurden in der Nacht auf den 26. November in der ganzen Republik Wahlplakate der regierenden Partei verbrannt oder beschädigt. Damit soll die Bevölkerung ihren Protest über die Politik der Gouverneurs Syasikov bekunden. Er ist auch regionaler Leiter der Partei.

In der Hauptstadt Inguschetiens Nasran, wurde dem Bericht zufolge jedes Plakat beschädigt, obwohl über 40 Polizeibeamte allein für die Sicherheit der Plakate abgestellt wurden.

Ein Journalist wurde Augenzeuge eines denkwürdigen Vorfalls. Als Polizeibeamte einige Jugendliche bei der Zerstörung der Wahlplakate gesehen haben, sollen diese aus das Feuer aus Maschinengewehren eröffnet haben (Rusinform: wahrscheinlich in die Luft). Anstatt wegzulaufen, seien aber die Jugendlichen mit Steinen auf die Polizisten los. Der Dienstwagen sei völlig zerstört worden und die Polizisten seien nur mit Hilfe der Anwohner gerettet worden.

Inguschetien ist eine Nachbarrepublik von Tschetschenien. Diese muslimisch geprägte Teilrepublik ist seit einiger Zeit Quelle von Unruhen. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror werden unschuldige Menschen getötet und immer die einheimische Bevölkerung als Täter hingestellt. Die vorwiegend russischen Sicherheitskräfte morden offen auf der Straße mit einer solchen Dreistigkeit, dass sogar breite Bevölkerungsmassen zum Widerstand gezwungen werden.

Durch diese Politik wird ein Nährboden für die islamistischen Kämpfer gebildet. Die Anzahl der Anschläge und die Menge der russichen Truppen in Inguschetien steigen seit über einem Jahr. Die Lage ist sehr explosiv. Inguschetien, ist geschichtlich immer eine sehr gemässigte Republik gewesen und droht sich nun in einen bürgerkriegsähnliches Gebiet zu verwandeln.

Das zeigte sich unter anderem auch an diesem Wochenende als die Polizei eine friedliche Demonstration in Nasran mit Schusswaffen auseinander getrieben hat. Wie der Radiosender "Echo Moskvy" berichtet gab es auch Schussverletzungen.

Sunday, November 25, 2007

Märsche der Nichteinverstandenen

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(Marsch der Nichteinverstandenen Moskau 23. November 2007)

An diesem Wochenende gab es in Russland zwei größere „Märsche der Nichteinverstandenen“ in Moskau und St. Petersburg. Die westlichen Beobachter berichteten dabei über jeweils 2 bis 3 Tausend Teilnehmer, allein das angehängte Bild deutet aber auf mehr Teilnehmer in Moskau hin. Es waren auch in über 23 anderen Städten Märsche geplant, ob diese gelungen sind, ist mir bis dato unbekannt. In vielen kleineren Städten wurden die, zu den teilnehmenden Parteien gehörende Personen, im Vorfeld festgenommen und/oder eingeschüchtert. Viele der Märsche wurden aus fadenscheinigen Gründen verboten. Dies sind aber die gewöhnlichen Schwierigkeiten, auf die die Organisatoren des Marsches jedes mal treffen.

Die Märsche der Nichteinverstandenen werden von der Koalition „Das andere Russland“ organisiert, deren Anführer unter anderem Gari Kasparov und Eduard Limonov sind (mehr hier oder bei wikipedia).

Moskau

Im Vorfeld des Marsches wurden teilweise unterirdische Straßenübergänge umzäunt und die Straßen mit Lastwagen versperrt. Die Zugänge zu dem Platz, an dem die erlaubte Kundgebung stattfinden sollte, wurden versperrt. Eine Journalistin des Radiosenders "Echo Moskvy" machte Bilder von den Vorbereitungen der Sicherheitskräfte.

Nach dem Ende der Kundgebung ist ein Teil der Teilnehmer zum Gebäude der Zentralen Wahlkommission aufgebrochen. Dort wollten Sie eine Petition für „echte Wahlen“ an die Verantwortlichen übergeben. Dieser Teil der Demonstration war zuvor verboten worden, weshalb die Teilnehmer dieser Gruppe umgehend festgenommen wurden. Darunter war auch Gari Kasparow. Die Festgenommenen wurden zu 5 Tagen Haft verurteilt. So konnten sie nicht an den Märschen am Sonntag teilnehmen. Eine Gruppe von Demostranten hat es allerdings geschafft mehrere Absperrungen des OMON (Spezialkräfte der russischen Polizei) zu durchbrechen, was allein schon für eine sehr große Anzahl von Teilnehmern spricht. So konnte das Dokument mit den Forderungen symbolisch übergeben werden.

Einige der unbekannten Festgenommenen wurden mit großer Brutalität behandelt. Es gibt glaubhafte Berichte von Demonstranten, die in der Haft schwer verprügelt wurden und mit gebrochener Nase und anderen Verletzungen zum Arzt gebracht werden mussten.

Bei dem heutigen Marsch in St. Petersburg gab es wieder sehr viele Festnahmen. So wurden unterschiedlichen Berichten zufolge 200 bis 300 Menschen festgenommen. An anderer Stelle wird berichtet, dass die meisten der Festgenommenen außerhalb der Stadt gebracht und dort ohne Protokoll oder ähnliches freigelassen wurden. Es gab wieder Verletzte diesmal wurde auch von verprügelten älteren Menschen berichtet.

Kommentar

Die Schilderung der von den Sicherheitskräften ergriffenen Maßnahmen ist sicherlich nicht erschöpfend. Sie soll nur verdeutlichen, zu was man bereit sein muss, wenn man zu einem Marsch der Nichteinverstandenen geht. Durch diese massive Einschüchterungspolitik haben die Machthaber es geschafft, den Aufstand der Zivilgesellschaft vor der Dumawahl zu verhindern. Leider zeigtdie geringe Teilnahme an den Märschen an, dass der aktuelle politische Kurs in Russland momentan nicht von Innen heraus verändert werden kann. Und von Außen sollte dies möglichst nicht geschehen.

Ich möchte hier deutlich den Kritikern widersprechen, die behaupten: die Nichteinverstandenen seien eine verschwindende Randgruppe. Wie es zum Beispiel Herr Lozo in seinem Blog tut.

Die Opposition ist sicherlich nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Diese kann gar keinen oppositionellen Gedanken entwickeln, da das gesamte gewöhnliche Fernsehen durch den Staat kontrolliert wird. Vertreter der Bevölkerungsgruppe, die über einen guten Bildungsstand verfügt und ideologisch gegen den Personenkult und die Rückkehr zum System Sowjetunion ist, gehen nicht in die Opposition. Für sie würde das den Wegfall des vorhandenen Einkommens bedeuten. Und diejenigen schließlich, die klar den Verfall der russischen Gesellschaft erkennen, gehen nicht auf die Straße, weil sie meist alt sind und wissen, dass auch sie verprügelt werden können.

Und so kommt es, dass auf der Straße nur einige Tausend Menschen auftauchen. Von diesen zählt auch ein beträchtlicher Teil zu den radikalen Nationalbolschewiken, einer in Russland wahrscheinlich zurecht verbotenen Partei.

Die Taktik der Regierenden ist einfach. Jeder der das Staatsgerüst auch nur ansatzweise kritisieren oder in die demokratische oder pluralistische Richtung verändern möchte, wird in die Position eines Radikalen gezwungen. Es gibt keine Möglichkeit des friedlichen Protests. Den Regimegegnern wird der Kampf um, Information und Desinformation aufgezwungen.

Diese zermürbende Taktik beherrschen besonders die Agenten der Geheimdienste sehr gut. Das zeigt im Grunde eindeutig, wer im Moment die meisten Stränge in der Hand hält.

PS.: Ich stelle hier einen Link zu einem Nachrichtenbeitrag der REN TV, eines weniger abhängigen Senders. Für die nicht Russisch sprechenden Leser, gibt es ein gutes Bild von der Brutalität der Sicherheitskräfte.

Man sieht wie sich zum Teil nichtwehrende Teilnehmer gegen alle Normen verhaftet und dabei noch auf der Straße vor den laufenden Kameras verprügelt werden. Man kann sich nur vorstellen, was danach auf der Wache passiert.

Merkwürdigerweise wird in diesem Beitrag die Anzahl der Teilnehmer des Moskauer Marsches auf 1000 angegeben und gesagt die Petition konnte nicht übergeben werden. Davon gibt es aber Meldungen und Fotos.

Friday, November 23, 2007

Stimmung kurz vor der Dumawahl

Am 2. Dezember wird in Russland die neue Duma gewählt. Die bevorstehende Wahlperiode mit der Dumawahl und der nachfolgenden Präsidentenwahl Anfang März werden Russland entscheidend verändern. Daran kann im Moment kein Zweifel bestehen. Alle Fronten verhärten sich.

Putintreue Propaganda nimmt zu, der Druck steigt, viele legen ihre Masken ab. Viele ergreifen klar Partei: Die Oppositionellen, weil sie es sich sonst nicht verzeihen würden oder die regierungsnahen Persönlichkeiten, weil der Druck von oben verstärkt wird.

Hier Übersetzungen von nur einigen Nachrichtenüberschriften von NTV , früher mal ein unabhängiger Sender:
• „Putin hält sein Wort“
• „Putin: Wir brauchen nur einen Sieg“
• „Das Volk will sich von Putin nicht verabschieden“
• „Putin sorgte für Ordnung“
• „Unsere Antwort an die Nato: Präsident Vladimir Putin….“

Das sind nur die Überschriften eines Nachmittags. Die Medien zeigen nur Putin.
Seit Putin angekündigt hat, dass er die Liste der Partei „Einiges Russland“ anführt, ist nur noch die Rede von „Putins Plan“, wobei nirgendwo steht, was das eigentlich heißt. Die Partei hat nicht einmal ein explizites Parteiprogramm. Im existierenden Programm stehen nur Ankündigungen wie „Erhöhung der Renten oder von sozialen Leistungen“. Dabei hat „Einiges Russland“ schon jetzt die absolute Mehrheit im Parlament und könnte alles umsetzen.

Um politische Diskussionen zu vermeiden, wurde die Wahl zur „Abstimmung über Putin“ erklärt. Jeder der gegen „Einiges Russland“ ist, ist gegen Putin. Putin aber gilt als unantastbar.

Die Situation in der Opposition
Während die staatlichen Medien jeden Tag und jede Stunde Putin feiern und zwischendurch die Opposition klein reden und verschmähen, sammelt sich die Opposition.

Die Opposition wurde nach dem Frühling, in dem sie die erfolgreichen „Märsche der Nichteinverstandenen“ durchgeführt hat, zunächst einmal sich selbst überlassen. Die Menge an Verhaftungen und Bedrohungen, die sonst seitens der Behörden durchgeführt werden, hatte leicht abgenommen. Die Opposition hat sich daran gemacht einen gemeinsamen Präsidentenkandidaten zu küren. Eine Unmenge an Streitigkeiten kam auf.
Das dies vorprogrammiert ist, darauf deutet schon die Zusammensetzung der Opposition.

Siw besteht aus Menschen wie Eduard Limonov - radikaler, aber talentierter Redner und Anführer der Nationalbolschewistischen Partei, Gari Kasparov – Ex-Schachweltmeister leider politisch unerfahren und ohne eigene Lobby, Yawlinski – „Yabloko“ Parteivorsitzender der, die Märsche öffentlich kritisiert hat und nun hofft mit, ein wenig Kritik an der Rentenpolitik usw. vom Regime geduldet Oppositionsstimmen zu sammeln. Da sind die ehemaligen regimefreundlichen Gruppierungen wie die Partei „SPS“, gegen die in letzter Zeit sehr aggressive Politik betrieben wird und die wichtigste Gruppe von Menschen, die das heutige Russland noch tragen, die Intellektuellen.

Bei letzteren ist in den letzten Tagen eine starke Welle der Resignation zu spüren. Einer der großartigsten Autoren, Viktor Shenderovitsch, schreibt in seinem letzten Beitrag über Transparente auf den Straßen Moskaus und wie diese wahrgenommen werden:

„Hier verfolgt dich auf Schritt und Tritt die Losung „Du bist auch in Putins Plan“, „Und du bist auch in Putins Plan“. Es steht überall geschrieben und auch aus Straßenlautsprechern hört man es.
- Mama, wem sagen die das? – fragt Nikita der Sohn einer Bekannten von mir.
- Dir mein Lieber, dir. Und am besten verschwindest du von hier bevor du ins wehrdienstfähige Alter kommst.
Nikitas Mutter ist eine ehemalige Fernsehredakteurin, heute ist sie arbeitslos wegen zu feiner innerer Struktur (Rusinform: kann nicht lügen). Heute sucht sie nach einer Möglichkeit, der Heimat irgendwie zu entfliehen. Nicht nur weil sie ihrem Sohn die Bekanntschaft mit den „Alten“ in der Armee ersparen will, sondern weil ihr einfach von ihrer Umgebung übel wird. Sie kann das einfach diese Menschen im Fernseher nicht mehr ertragen und diesen in dessen Plan wir alle sind, wie in einem Wasserloch.
- Sie halten uns wie Vieh – sagt sie. Ja das tun sie, bestätige ich. Und ich glaube Sie haben auch einen Grund dazu.“

Schenderovitsch ist eine der bekanntesten Stimmen der Intellektuellen in Russland. Er hat die Russland von den Sowietzeiten miterlebt. Er hat schon immer die Mächtigen kritisiert. Aber man merkt, dass sich jetzt was verändert. Selbst er, ein Meister der Ironie, wird immer deutlicher, extremer in seinen Äußerungen. Und fordert offen auf zu den Märschen zu gehen.

An diesem Wochenende finden, wieder die Märsche der Nichteinverstandenen statt. Diese versprechen viel mehr Demonstranten anzulocken als früher. Es hat sich eine neue Gruppierung angeschlossen, die „SPS“. Werden viele Menschen kommen, gibt es noch eine Chance.

Den Kampf um ihre Rechte, um Ihre Freiheit scheinen viele für schon fast verloren zu halten. Eines ist klar. Die nächsten zwei Wochen werden sehr viel entscheiden. Ich würde mir wünschen, dass die Kameras des Deutschen Fernsehens möglichst nah an die Ereignisse herankommen. So können auch die Deutschen viel lernen. Vom Funktionieren und Nichtfunktionieren eines Staates.

PS.: Hier ist ein Video das im Moment in der russischen Blogsphere kursiert:

Sunday, November 18, 2007

Verfolgung von Wissenschaftlern in Russland

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com

In Russland werden seit einiger Zeit, immer wieder Wissenschaftler verfolgt, jedes mal wird ihnen Staatsverrat vorgeworfen. Um einige prominente Beispiele zu nennen: Valentin Danilov oder Igor Sutyagin. Ich fasse hier einen Artikel von Irina Samakhova für die "Novaya Gazeta" zusammen: Link zum Originalartikel.

Es geht um zwei Verfahren im Novosibirskaya Gebiet. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen nach einiger Zeit eingestellt und die Staatsanwaltschaft hat sich im Namen der Regierung für den entstandenen Schaden entschuldigt.
Der Verlauf der beiden Fälle zeigt jedoch ein sehr kohärentes Bild der Vorgänge in den russischen Behörden. Ich stelle hier nur einen der beiden Fälle vor.

Die Brüder Igor und Oleg Mininy, zwei Professoren der Novosibirischen Staatlichen Technischen Universität, haben zum Jubiläum der Uni eine Broschüre über die wissenschaftlichen Errungenschaften der Einrichtung verfasst. Auflage: 50 Exemplare. Den Autoren wurde Verrat von Staatsgeheimnissen vorgeworfen.
Der Ermittler: "Die Heimat gab ihnen Bildung, gab ihnen die Möglichkeit Wissenschaft zu betreiben, und sie verkaufen die Staatsgeheimnisse."
Nach Aussage des verteidigenden Anwalts wurde der FSB auf diese Broschüre hin auf eine Initiative der Leitung der Instituts für Angewandte Physik aufmerksam. Die Leitung hatte früher der Vater der beiden Beschuldigten inne.

Alle in dieser Broschüre geäußerten Fakten wurden bereits früher in der öffentlich zugänglichen Enzyklopädie "Waffen und Technologie Russlands. XXI Jahrhundert" veröffentlicht, aus der die beiden Autoren diese entnahmen. Außerdem wurde diese Broschüre vom Institut auf das "Vorhandensein geheimer Informationen" vor dem Erscheinen geprüft. Beide Fakten fanden bei den Ermittlern vom FSB keine Beachtung.

Das beunruhigende ist nun, dass der positive Ausgang des Falls keinesfalls auf der Unvoreingenommenheit der Richter beruht. In zwei Instanzen mussten Anträge auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt. Die Entschuldigungen kamen von den Staatsanwälten, denen die Fälle übergeben worden sind. Nach Meinung des Anwalts haben die beiden Glück gehabt, dass keine der Broschüren ins Ausland gegangen, sonst wären sie sicherlich verurteilt worden.

Das Problem mit den Staatsgeheimnissen in der Wissenschaft, ist das gerade die einfache Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in der westlichen Welt zur rapiden Entwicklung der Wissenschaft führt. Quellen wie arXiv oder der Zwang vieler Journals zur offenen Veröffentlichung der eigenen Papers machen es deutlich.

Die übermässige Einordnung von Technologien und anderer Forschungsergebnisse unter das Merkmal "Staatsgeheimnis" dient nach Meinung von Akademiker Eduard Kruglyakov, hauptsächlich zwei Zielen.

So bringt er das Beispiel von Magnetrons, Mikrowellengenerator. Es sei theoretisch Möglich ein starkes Gerät aus Russland zu exportieren. Dazu brauche man aber Sondergenehmigungen, die sind in der Regel ohne zahlreiche Bestechungen nicht zu erwirken. Das drücke die Wettbewerbsfähigkeit russischer Unternehmen ungemein.

Vielmehr verdecke aber die hohe Sicherheitsstufe pseudowisseschaftliche Tätigkeit. Verteidigungsinstanzen die nicht in der Lage seien die ernsthafte Forschung zu betreiben, verbrauchen große Gelder und schützen sich gegen Transparenz. So sagt er, nach einigen Dokumenten die er gesehen hat, interessiere man sich wieder für die Antigravitation. Geschrieben sei völliger Unfug, für die Forschung würden aber sehr große Gelder gezahlt worden sein.


Mein Kommentar: Vor dem Hintergrund dieses Artikel muss man die Milliarden Dollar sehen die jetzt in Russland bei hoher Medienpräsenz in Nanotechnologien investiert werden sollen.


Saturday, November 17, 2007

Kurzmeldung: OSZE

Die OSZE wird die Dumawahl in Russland nicht beobachten.
Es gibt allerdings schon einen sehr guten Beitrag hierüber in den tagesthemen, den verlinke ich hier einfach mal hin:

Tagesthemen

Kommentar: Ich empfinde Trauer bei dieser Entscheidung der OSZE. Sie hat mehr darauf geachtet ihr eigenes Gesicht zu wahren und sich nicht durchgesetzt. Genau auf diese Resignation setzt der Kreml. Besser ist wenn zumindest 70 Beobachter im letzten Moment ankommen als wenn kein Beobachter da ist.
Die Hoffnung bleibt, dass der Fehler bei der Präsidentenwahl nicht wiederholt wird.


Tuesday, November 13, 2007

Opposition

Die Partei "SPS" von der hier schon häufiger die Rede war, hat sich heute offiziell dazu entschlossen bei den "Märschen der Nichteinverstandenen" mit zu marschieren. Die teilte heute der Parteivorsitzende Nikita Belykh dem Radiosender "Echo Moskvy" mit. Die Märsche werden am 24. November in Moskau und am 25. in Sankt Petersburg stattfinden.

Hintergrund:
Die Märsche der Nichteinverstandenen werden vor der Organisation "Anderes Russland" organisiert. Im Frühling waren diese Demos besonders erfolgreich (über 7 Tausend im St. Petersburg) und wurden daraufhin mit brutaler Gewalt unterdrückt (http://www.tagesschau.de/ausland/meldung47124.html).
Danach gab es in der Sommerpause kaum Märsche, da die Ereignisse im "Anderes Russland" sich um die Suche nach einem gemeinsamen Präsidentenkandidaten gedreht haben.

Die Partei SPS wurde, obwohl ursprünglich systemnah, in der letzten Zeit stark von der Regierungsseite schikaniert (http://dejarus.blogspot.com/2007/11/kurzmeldung.html).

Kommentar:

Es ist klar, dass SPS zu Regierungsfeinden erklärt wurden. Deshalb bleibt der Partei nichts anderes übrig als sich offen regierungsfeindlich zu zeigen. So etwas musste passieren. Es kommt jetzt darauf an, ob SPS seine Anhänger in großen Maßen zu Demonstrationen mobilisieren kann. Eine Demonstration von schon über 10 Tausend könnten die Behörden nicht mehr kontrollieren.

Monday, November 12, 2007

Kurzmeldung: Wahlvorhersagen

In diesen Tagen kursiert in der russischen Bloglandschaft die Meldung eines Andrej der als Doktorand direkt an der Erstellung von Wahlprognosen beteiligt ist. Seine Aussage sind die seine Umfragewerte der Parteien in 5 Regionen in denen er die Umfragen gemacht hat: "Einiges Russland" 38-40% (offiziell 55-65%), "Gerechtes Russland" 3-4% (offiziell 7-13%), "Kommunistische Partei der Russischen Föderation" >20% (offiziell 17%), "Yabloko" 5,5% (offiziell 1-3%), SPS 7% (offiziell 2-5%), LDPR 8% (offiziell 6-7%). Sehr viele seien noch unentschieden.

Eine qualitative Bestätigung dieser Zahlen gibt es unter der url:
http://bd.fom.ru/report/cat/policy/political_party/d072601#Abs3
Achtung die englische Version der Seite zeigt Statistiken von 2004 an.

Grundsätzlich muss die Glaubwürdigkeit der Quelle hier in Frage gestellt werden. Aber aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die Opposition sich in Russland tatsächlich über Internetblogs organisiert. Die meisten Informationen die so publiziert werden, und dann von namhaften Korrespondenten aufgenommen werden, wie zum Beispiel Viktor Shenderovitsch, stellen sich als wahr heraus.

Kommentar:

Angesichts der wenigen Internationalen Beobachter, deren Erscheinen heute grundsätzlich in Frage gestellt wird (sie haben Probleme mit Visum), wird vor der Wahl ein Rating künstlich erzeugt. Dieses wird dann in der Dumawahl lediglich bestätigt. Mit echter Wahl hat das nichts zu tun. Die offene Frage: Warum braucht man über 60%, wenn man doch so auf 40% und eine definitive Regierung zählen kann? Verfassungsändernde Mehrheit hätte man jetzt auch schon.

Sunday, November 11, 2007

Demonstrationen in Georgien


(Bildquelle: Wikipedia)



Um die aufflammende Kritik an seiner Politik einzudämmen hat Georgiens Präsident Saakaschwili in dieser Woche den Notstand ausgerufen, Demonstrationen gewaltsam auseinander treiben lassen, den privaten kritischen Sender "Imedi" geschlossen usw...

Die russischen Medien haben die Demonstrationen sehr nah begleitet und sich sehr positiv gegenüber den Demonstranten in Georgien gezeigt. Obwohl klar ist, dass diese Demonstrationen gegen den europafreundlichen Präsidenten Russland nützen, ist ein signifikanter russischer Einfluss nicht offensichtlich erkennbar.


Hintergrund:


Von der geographischen Lage ist Georgien ein kaukasisches Land. Als große Ausnahme ist es aber ein größtenteils (81%) christliches Land, der Rest ist muslimisch geprägt. Georgien hat eine Schlüsselrolle im Antiterrorkampf. Es befindet sich zwischen den im Norden befindlichen russischen Republiken Dagestan, Tschetschenien und anderen sehr unstabilen Regionen, in denen der "Heilige Krieg" immer mehr Anhänger findet. Im Süden sind Länder wie Iran und der Irak unweit. Die Durchlässigkeit dieser Region an Islamischen Kämpfern, Drogen, Waffen ist ungeheuer. Ein stabiles Georgien wäre Teil der Lösung von vielen Konflikten.

Georgien hat eine geschichtlich herausragende Rolle. Stalin war Georgier. Das führte zu einer sehr starken Bevorzugung dieses Volkes vor anderen kaukasischen Völkern, die größtenteils durch Massenumsiedlungen, Volksmord und Clankonflikte dezimiert wurden. Die Georgier genossen zur Zeiten der Sowjetunion einen besonderen Status einer der kulturell am weitesten entwickelten Kaukasusrepublik.

Präsident Saakaschwili, hat nach seiner Wahl 2004 eine Reihe von Reformen durchgesetzt, die die politische Kontrolle sehr stark zu Gunsten des Präsidenten verlagern. So hat der Präsident uneingeschränktes Vetorecht bei Gesetzen, kann das Parlament bei 3-maliger Nichtannahme des Staatshaushalts auflösen usw.

Aktuell strebt Georgien die Mitgliedschaft in der NATO an, dies würde die Unabhängigkeit von Russland verfestigen. Für das Bündnis wäre es, aus geographischen Gründen, ein perfekter Standort für die Durchführung militärischer Aktionen. Würde aber die NATO Georgien gleich aufnehmen, hätten Sie mit den ungelösten Konflikten innerhalb Georgiens zu tun.

Südossetien und Abchasien sind zwei kleine (Einwohner: ca. 200 T. bzw. ca. 100 T. ) Teilrepubliken von Georgien, in denen es einen Unabhängigkeitskonflikt gibt, es gab in der Vergangenheit Kriege mit Georgien. Mit deutlicher Unterstützung von russischer Seite. In beiden Teilrepubliken stehen russische Truppen. Es existiert zwar ein Vertrag aus 2006 über den Rückzug russischer Truppen bis Ende 2007. Seine Einhaltung ist, aber wegen der vielen negativen bilateralen Ereignisse fraglich.

Der Unabhängigkeitskonflikt wird mit unterschiedlichsten Mitteln geführt. Bei Unabhängigkeitsreferenden wurde die Unabhängigkeit mit über 90% befürwortet. Die Abstimmungen wurden aber absichtlich nicht international beobachtet. Sie wurden insbesondere von Europa, Amerika usw. als destabilisierend verurteilt.

Laut den Berichten von Amnestie International, wird auch zunehmend Gewalt gegen Einzelpersonen, die die Unabhängigkeit agitieren, verzeichnet.

Kommentar:

Der Umgang mit Georgien ist wegen der oben beschriebenen wichtigen Lage Georgiens schwierig. Es muss dennoch zu einer Erhöhung des Drucks auf Saakaschwili kommen. Nur eine mündige Bürgergesellschaft in Georgien wird die Stabilität garantieren. Gleichzeitig muss Georgien wirtschaftlich und fachlich unterstützt werden. Ohne es in die NATO zu ziehen!

Verlieren wir wieder die moralische Höhe, in dem eine vom Westen unterstützte Regierung zu einem Weniger an Demokratie führt, verlieren wir eine wichtige Schlacht um die Menschenrechte. Wir werden dann zusehen müssen, wie Verbrechen "freundlicher Regimes" in vielfacher Ausführung von anderen Regimes ausgeführt werden. Ähnlich wie zu "war on terror" werden wir dann schweigen müssen.

Dies ist aber, Gott sei Dank, den Machthabern bei uns schnell klar geworden. Der Druck hat zu den vorgezogenen Präsidentenwahlen in Georgien geführt.

Es gibt also schon funktionierende Machtverbindungen nach Georgien. Es ist spannend, wie stark diese sind. Es ist auch spannend was die störenden pro russischen Kräfte in Georgien anrichten können werden. Lasst uns sehen.

Im Kreml ist man aber unterdessen ungemein schadenfroh. Der europafreundliche Präsident, lässt die Demonstranten knüppeln. Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Ereignisse ab jetzt als Gegenargument verwendet werden, wenn der Westen Russland Rechtsverletzungen vorwirft.

Kurzmeldung

8. November: Die Sicherheitsbehörden beschlagnahmen über 14 Mio Exemplare von Wahlplakaten, Broschüren, Flyer und anderer Druckproduktion der Partei SPS. Die Aktion findet nur innerhalb weniger Tage im gesamten russischen Gebiet (Moskau, Khabarovsk, Perm, Abakan, Kysyl, Tschita, Ulan-Ude usw.) statt. Es werden jedes mal unterschiedlichste Kleinigkeiten bemängelt.
Die Abstimmung und gute Organisation der Aktion lassen keinen Zweifel an der Absichtlichkeit dieser Operation aufkommen.


Sunday, November 4, 2007

KW 44 Dumawahl/2

Die zentrale Wahlkommission(ZIK) hat ca. 300-400 Einladungen an internationale Wahlbeobachter verschickt. Bei der letzten Dumawahl waren ca. 3 mal so viele internationale Wahlbeobachter tätig.

Hintergrund:

Bei den kommunalen Wahlen die im Frühjahr 2007 gelaufen sind, wurden in einigen Bezirken bis zu 100% Stimmen für die Partei "Einiges Russland" abgegeben. Bei dieser Art Test für die Dumawahl wurden auch andere sehr auffällige Wahlfälschungen beobachtet, z.B. in sehr vielen Kommunen 6.9x% für die Partei "SPS", oder 100% Wahlbeteiligung bescheinigt.

Kommentar:

Es scheint einen Wettbewerb zwischen Wahlvorsitzenden in den einzelnen Bezirken zu geben, wer mehr Stimmen für die "Einiges Russland" einbringt. Da es sonst kaum eine Möglichkeit gibt sich positiv in der Partei auszuzeichnen, versuchen so viele relativ kleine Akteure zu profilieren. Dieser Effekt ist einerseits erwünscht, andererseits führt er eben zu jenen offensichtlichen Wahlbetrügereien. Man möchte aus offensichtlichen Gründen, die Zweifel der Außenwelt an russischen Wahlen möglichst niedrig halten.

KW44: Dumawahl/1

Dumawahl am 2. Dezember: Zum 28 Oktober hat die zentrale Wahlkommission 11 von 14 angemeldeten Parteien zur Wahl zugelassen.


Hintergrund:

Seit den Ereignissen von Beslan wurde das russische Wahlgesetz sehr stark geändert. Zuvor war die Dumawahl so wie in Deutschland zur Hälfte direkt und zur Hälfte über Parteilisten geführt worden. Es gab auch eine 5% Hürde. Nach den neuen Gesetzen wurde die direkte Wahl der Kandidaten abgeschafft und die 7% Prozent Hürde eingeführt.

Weiter wurden die Zulassungsbestimmungen für Parteien verschärft. Um zur Wahl zugelassen zu werden muss eine Partei in Russland 60 Mio. Rubel (ca. 2 Mio. Euro) als Pfand entrichten und über 200.000 Unterschriften sammeln, davon dürfen höchstens 5% "ungültig" sein. Mit "ungültig" sind gefälschte Unterschriften oder Unterschriften nicht registrierter Personen gemeint.

Das russische legislative System ist dem deutschen sehr ähnlich. Es existiert auch ein Pendant zum Bundesrat, die Vertreter welchen auch von den Regierungen der einzelnen Subjekte der Föderation (Länder) bestimmt werden. Jedoch werden seit schon mehreren Jahren die Gubernatoren (Ministerpräsidenten) allein vom Präsidenten bestimmt, nicht vom lokalen Parlament.

Kommentar:

Keine der 11 Parteien kritisiert Putins Politik scharf und mehrheitlich. Solch eine Partei kann man nach dem geltenden Recht relativ leicht nicht zulassen. So ist insbesondere die Regelung mit 5% "ungültigen" Unterschriften, die unabhängig von der absoluten Zahl der Unterschriften wirkt, ausnutzbar um unangenehme Parteien von der Wahl fern zuhalten.
Man muss zugestehen, dass unter den 11 Parteien 2 sind, von denen viele Mitglieder durch scharfe Kritik am regierenden System aufgefallen sind. Es sind "Yabloko" und "SPS" in Übersetzung "Apfel" bzw. "Die rechten Kräfte".

"Yabloko" ist eine liberale Partei mit dem Vorsitzenden Yavlinskij. Früher galt sie als eine echte Opposition. In den letzten Jahren ist aber der Vorsitzende durch viele regierungsunterstützende Äußerungen aufgefallen, in sehr kritischen Augenblicken (Terrorakte, Märsche der Nichteinverstandenen, etc.). Es gibt viele Gerüchte über eine finanzielle Unterstützung dieser Partei durch den Kreml.

"SPS" hat dazu die Umgekehrte Geschichte. Als eine sehr regierungsnahe Partei angefangen, wurde diese Partei in den letzten Jahren durch einige öffentliche Persönlichkeiten wie Nikita Belykh, Leonid Gozmann oder Maria Gaydar mehr und mehr zu einer Partei, die die Politik des Präsidenten öffentlich und scharf kritisierte. Es ist im Augenblick sehr schwer zu sagen, ob diese Partei lediglich im regierungsfeindlichen Milieu "angelt", oder tatsächlich im Begriff ist sich umzubauen.

Sunday, October 28, 2007

KW 43

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com

In dieser Woche waren die folgenden Themen in Russland besonders aktuell:

Steigende Lebensmittelpreise:

Die Lebensmittelpreise in Russland sind genauso wie in Deutschland gestiegen. Die Auswirkungen auf das Leben der Menschen ist mit den aus Deutschland nicht zu vergleichen. Ich habe keine verlässlichen Statistiken über den Anteil der Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben der Russen gefunden. Aber bei einer durchschnittlichen Monatsrente von etwas mehr als 5000 Rubel (ca.150 Euro), kann man davon ausgehen dass für sehr große Bevölkerungsschichten, etwa 80% des Geldes für Lebensmittel aufgehen. Bei uns liegt das eher im Bereich von 10%. Wenn nun die Preise für Lebensmittel um teilweise 40%-200% steigen, können keine anderen Ausgabequellen gekürzt werden, die Menschen hungern.

Die Reaktion des Kreml ließ nicht lange auf sich warten. Man friert die Preise für ausgewählte Lebensmittel ein. Dazu wird ein freiwilliges Abkommen von einigen großen Supermarktketten abgeschlossen. Dieses wird stark über die öffentlichen Medien ausgestrahlt. Das Einfrieren der Preise soll, nur ca. ein halbes Jahr dauern (bis nach der Präsidentenwahl). Die Diskussion hierüber ist im Gange.

Kommentar:

Erstens die Art der Reaktion zeigt, dass die endgültigen Entscheidungsträger in Sowietmustern denken. Ein Mensch der etwas von Marktwirtschaft versteht, würde nicht auf diese Idee kommen und schon gar nicht so schnell. Diese Maßnahme führt, wenn tatsächlich landübergreifend, zu Defiziten. Niemand will seine Waren unter dem Preis verkaufen und wird Möglichkeiten suchen sie im Ausland los zu werden. Dieses Ereignis zeigt sehr deutlich die Schwächen der russischen Wirtschaft und die Auswirkungen auf Ihre Stabilität.

Zweitens zeigt der Preisanstieg an sich, dass sich Russland auf dem Weltmarkt befindet, zumindest was Lebensmittel angeht. Insbesondere kauft Russland trotz der ausreichenden Größe und Fläche, Milchprodukte und Korn in signifikanten Mengen (ca. 20% des Verbrauchs) im Ausland ein.

Drittens, die Maßnahme an sich wird niemandem helfen. Die betreffenden Supermärkte decken nicht das Land sondern höchstens Moskau, St. Petersburg und noch einige wenige andere Städte. Außerdem ist der das Abkommen volumenabhängig, es wird nur eine bestimmte Menge vergünstigt verkauft. Es ist mehr PR als Tatsache. Die wirkenden Maßnahmen sind aber in der nächsten Zeit zu erwarten. Wahrscheinlich sind hier Ausfuhrzölle auf Nahrungsmittel o.ä.


3. Amtszheit Putins:

Offener Brief im Namen von "65.000 Meister der Kunst" unterschrieben vom sehr kremltreuen Nikita Mikhalkov und einigen anderen bekannten Vertretern der Kunstszene.
Mikhalkov ist einer der bekanntesten Regisseure ("Utomlennie solnzem" Oscar 1995) Russlands, gleichzeitig tritt er in der letzten Zeit sehr häufig öffentlich auf, unter anderem als einer der Hauptverantwortlichen für die Reform der Armee.
In diesem Brief bitten die Verfasser Putin dazu auf eine dritte Amtszeit anzugehen und stellen dies als den unbedingten Willen der Intelligenz (der Intellektuellen) dar.

Kommentar:
Dieser Brief ist sehr typisch für die heutige politische Auseinandersetzung in Russland. In den öffentlichen Medien wird der Personenkult um den Präsidenten ständig durch Aufforderungen angefacht zu bleiben. Dies kommt auch und insbesondere aus den Reihen der Parteien die, die Duma kontrollieren.
Neuerdings gehen in den Städten Russlands Menschen auf die Straße, um Putin darum zu bitten Präsident zu bleiben. Dies wird über die staatlichen Medien verbreitet. Die Menge der Demonstrationen nimmt zu.
Der Präsident könnte jederzeit die Verfassung ändern und sich eine Amtszeit beliebiger Dauer bestätigen lassen. Er behauptet stets, dass er keine dritte Amtszeit anstrebt. Er lässt offen ob er nicht in der übernächsten Wahl zur Verfügung stehen wird. Er hat aber bereits zugesagt Premierminister werden zu wollen. Dies aber nur wenn ein Mensch zur Macht kommt "mit dem man gut zusammenarbeiten kann".
Die Gesamtsituation scheint recht verwirrt. Es ist allerdings immer das gleiche charakteristische Gefühl wenn die Sicherheitsdienste Ihre Arbeit machen. Man kennt es schon vom Fall Litwinenko.