Friday, November 23, 2007

Stimmung kurz vor der Dumawahl

Am 2. Dezember wird in Russland die neue Duma gewählt. Die bevorstehende Wahlperiode mit der Dumawahl und der nachfolgenden Präsidentenwahl Anfang März werden Russland entscheidend verändern. Daran kann im Moment kein Zweifel bestehen. Alle Fronten verhärten sich.

Putintreue Propaganda nimmt zu, der Druck steigt, viele legen ihre Masken ab. Viele ergreifen klar Partei: Die Oppositionellen, weil sie es sich sonst nicht verzeihen würden oder die regierungsnahen Persönlichkeiten, weil der Druck von oben verstärkt wird.

Hier Übersetzungen von nur einigen Nachrichtenüberschriften von NTV , früher mal ein unabhängiger Sender:
• „Putin hält sein Wort“
• „Putin: Wir brauchen nur einen Sieg“
• „Das Volk will sich von Putin nicht verabschieden“
• „Putin sorgte für Ordnung“
• „Unsere Antwort an die Nato: Präsident Vladimir Putin….“

Das sind nur die Überschriften eines Nachmittags. Die Medien zeigen nur Putin.
Seit Putin angekündigt hat, dass er die Liste der Partei „Einiges Russland“ anführt, ist nur noch die Rede von „Putins Plan“, wobei nirgendwo steht, was das eigentlich heißt. Die Partei hat nicht einmal ein explizites Parteiprogramm. Im existierenden Programm stehen nur Ankündigungen wie „Erhöhung der Renten oder von sozialen Leistungen“. Dabei hat „Einiges Russland“ schon jetzt die absolute Mehrheit im Parlament und könnte alles umsetzen.

Um politische Diskussionen zu vermeiden, wurde die Wahl zur „Abstimmung über Putin“ erklärt. Jeder der gegen „Einiges Russland“ ist, ist gegen Putin. Putin aber gilt als unantastbar.

Die Situation in der Opposition
Während die staatlichen Medien jeden Tag und jede Stunde Putin feiern und zwischendurch die Opposition klein reden und verschmähen, sammelt sich die Opposition.

Die Opposition wurde nach dem Frühling, in dem sie die erfolgreichen „Märsche der Nichteinverstandenen“ durchgeführt hat, zunächst einmal sich selbst überlassen. Die Menge an Verhaftungen und Bedrohungen, die sonst seitens der Behörden durchgeführt werden, hatte leicht abgenommen. Die Opposition hat sich daran gemacht einen gemeinsamen Präsidentenkandidaten zu küren. Eine Unmenge an Streitigkeiten kam auf.
Das dies vorprogrammiert ist, darauf deutet schon die Zusammensetzung der Opposition.

Siw besteht aus Menschen wie Eduard Limonov - radikaler, aber talentierter Redner und Anführer der Nationalbolschewistischen Partei, Gari Kasparov – Ex-Schachweltmeister leider politisch unerfahren und ohne eigene Lobby, Yawlinski – „Yabloko“ Parteivorsitzender der, die Märsche öffentlich kritisiert hat und nun hofft mit, ein wenig Kritik an der Rentenpolitik usw. vom Regime geduldet Oppositionsstimmen zu sammeln. Da sind die ehemaligen regimefreundlichen Gruppierungen wie die Partei „SPS“, gegen die in letzter Zeit sehr aggressive Politik betrieben wird und die wichtigste Gruppe von Menschen, die das heutige Russland noch tragen, die Intellektuellen.

Bei letzteren ist in den letzten Tagen eine starke Welle der Resignation zu spüren. Einer der großartigsten Autoren, Viktor Shenderovitsch, schreibt in seinem letzten Beitrag über Transparente auf den Straßen Moskaus und wie diese wahrgenommen werden:

„Hier verfolgt dich auf Schritt und Tritt die Losung „Du bist auch in Putins Plan“, „Und du bist auch in Putins Plan“. Es steht überall geschrieben und auch aus Straßenlautsprechern hört man es.
- Mama, wem sagen die das? – fragt Nikita der Sohn einer Bekannten von mir.
- Dir mein Lieber, dir. Und am besten verschwindest du von hier bevor du ins wehrdienstfähige Alter kommst.
Nikitas Mutter ist eine ehemalige Fernsehredakteurin, heute ist sie arbeitslos wegen zu feiner innerer Struktur (Rusinform: kann nicht lügen). Heute sucht sie nach einer Möglichkeit, der Heimat irgendwie zu entfliehen. Nicht nur weil sie ihrem Sohn die Bekanntschaft mit den „Alten“ in der Armee ersparen will, sondern weil ihr einfach von ihrer Umgebung übel wird. Sie kann das einfach diese Menschen im Fernseher nicht mehr ertragen und diesen in dessen Plan wir alle sind, wie in einem Wasserloch.
- Sie halten uns wie Vieh – sagt sie. Ja das tun sie, bestätige ich. Und ich glaube Sie haben auch einen Grund dazu.“

Schenderovitsch ist eine der bekanntesten Stimmen der Intellektuellen in Russland. Er hat die Russland von den Sowietzeiten miterlebt. Er hat schon immer die Mächtigen kritisiert. Aber man merkt, dass sich jetzt was verändert. Selbst er, ein Meister der Ironie, wird immer deutlicher, extremer in seinen Äußerungen. Und fordert offen auf zu den Märschen zu gehen.

An diesem Wochenende finden, wieder die Märsche der Nichteinverstandenen statt. Diese versprechen viel mehr Demonstranten anzulocken als früher. Es hat sich eine neue Gruppierung angeschlossen, die „SPS“. Werden viele Menschen kommen, gibt es noch eine Chance.

Den Kampf um ihre Rechte, um Ihre Freiheit scheinen viele für schon fast verloren zu halten. Eines ist klar. Die nächsten zwei Wochen werden sehr viel entscheiden. Ich würde mir wünschen, dass die Kameras des Deutschen Fernsehens möglichst nah an die Ereignisse herankommen. So können auch die Deutschen viel lernen. Vom Funktionieren und Nichtfunktionieren eines Staates.

PS.: Hier ist ein Video das im Moment in der russischen Blogsphere kursiert:

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