Sunday, November 25, 2007

Märsche der Nichteinverstandenen

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com



(Marsch der Nichteinverstandenen Moskau 23. November 2007)

An diesem Wochenende gab es in Russland zwei größere „Märsche der Nichteinverstandenen“ in Moskau und St. Petersburg. Die westlichen Beobachter berichteten dabei über jeweils 2 bis 3 Tausend Teilnehmer, allein das angehängte Bild deutet aber auf mehr Teilnehmer in Moskau hin. Es waren auch in über 23 anderen Städten Märsche geplant, ob diese gelungen sind, ist mir bis dato unbekannt. In vielen kleineren Städten wurden die, zu den teilnehmenden Parteien gehörende Personen, im Vorfeld festgenommen und/oder eingeschüchtert. Viele der Märsche wurden aus fadenscheinigen Gründen verboten. Dies sind aber die gewöhnlichen Schwierigkeiten, auf die die Organisatoren des Marsches jedes mal treffen.

Die Märsche der Nichteinverstandenen werden von der Koalition „Das andere Russland“ organisiert, deren Anführer unter anderem Gari Kasparov und Eduard Limonov sind (mehr hier oder bei wikipedia).

Moskau

Im Vorfeld des Marsches wurden teilweise unterirdische Straßenübergänge umzäunt und die Straßen mit Lastwagen versperrt. Die Zugänge zu dem Platz, an dem die erlaubte Kundgebung stattfinden sollte, wurden versperrt. Eine Journalistin des Radiosenders "Echo Moskvy" machte Bilder von den Vorbereitungen der Sicherheitskräfte.

Nach dem Ende der Kundgebung ist ein Teil der Teilnehmer zum Gebäude der Zentralen Wahlkommission aufgebrochen. Dort wollten Sie eine Petition für „echte Wahlen“ an die Verantwortlichen übergeben. Dieser Teil der Demonstration war zuvor verboten worden, weshalb die Teilnehmer dieser Gruppe umgehend festgenommen wurden. Darunter war auch Gari Kasparow. Die Festgenommenen wurden zu 5 Tagen Haft verurteilt. So konnten sie nicht an den Märschen am Sonntag teilnehmen. Eine Gruppe von Demostranten hat es allerdings geschafft mehrere Absperrungen des OMON (Spezialkräfte der russischen Polizei) zu durchbrechen, was allein schon für eine sehr große Anzahl von Teilnehmern spricht. So konnte das Dokument mit den Forderungen symbolisch übergeben werden.

Einige der unbekannten Festgenommenen wurden mit großer Brutalität behandelt. Es gibt glaubhafte Berichte von Demonstranten, die in der Haft schwer verprügelt wurden und mit gebrochener Nase und anderen Verletzungen zum Arzt gebracht werden mussten.

Bei dem heutigen Marsch in St. Petersburg gab es wieder sehr viele Festnahmen. So wurden unterschiedlichen Berichten zufolge 200 bis 300 Menschen festgenommen. An anderer Stelle wird berichtet, dass die meisten der Festgenommenen außerhalb der Stadt gebracht und dort ohne Protokoll oder ähnliches freigelassen wurden. Es gab wieder Verletzte diesmal wurde auch von verprügelten älteren Menschen berichtet.

Kommentar

Die Schilderung der von den Sicherheitskräften ergriffenen Maßnahmen ist sicherlich nicht erschöpfend. Sie soll nur verdeutlichen, zu was man bereit sein muss, wenn man zu einem Marsch der Nichteinverstandenen geht. Durch diese massive Einschüchterungspolitik haben die Machthaber es geschafft, den Aufstand der Zivilgesellschaft vor der Dumawahl zu verhindern. Leider zeigtdie geringe Teilnahme an den Märschen an, dass der aktuelle politische Kurs in Russland momentan nicht von Innen heraus verändert werden kann. Und von Außen sollte dies möglichst nicht geschehen.

Ich möchte hier deutlich den Kritikern widersprechen, die behaupten: die Nichteinverstandenen seien eine verschwindende Randgruppe. Wie es zum Beispiel Herr Lozo in seinem Blog tut.

Die Opposition ist sicherlich nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Diese kann gar keinen oppositionellen Gedanken entwickeln, da das gesamte gewöhnliche Fernsehen durch den Staat kontrolliert wird. Vertreter der Bevölkerungsgruppe, die über einen guten Bildungsstand verfügt und ideologisch gegen den Personenkult und die Rückkehr zum System Sowjetunion ist, gehen nicht in die Opposition. Für sie würde das den Wegfall des vorhandenen Einkommens bedeuten. Und diejenigen schließlich, die klar den Verfall der russischen Gesellschaft erkennen, gehen nicht auf die Straße, weil sie meist alt sind und wissen, dass auch sie verprügelt werden können.

Und so kommt es, dass auf der Straße nur einige Tausend Menschen auftauchen. Von diesen zählt auch ein beträchtlicher Teil zu den radikalen Nationalbolschewiken, einer in Russland wahrscheinlich zurecht verbotenen Partei.

Die Taktik der Regierenden ist einfach. Jeder der das Staatsgerüst auch nur ansatzweise kritisieren oder in die demokratische oder pluralistische Richtung verändern möchte, wird in die Position eines Radikalen gezwungen. Es gibt keine Möglichkeit des friedlichen Protests. Den Regimegegnern wird der Kampf um, Information und Desinformation aufgezwungen.

Diese zermürbende Taktik beherrschen besonders die Agenten der Geheimdienste sehr gut. Das zeigt im Grunde eindeutig, wer im Moment die meisten Stränge in der Hand hält.

PS.: Ich stelle hier einen Link zu einem Nachrichtenbeitrag der REN TV, eines weniger abhängigen Senders. Für die nicht Russisch sprechenden Leser, gibt es ein gutes Bild von der Brutalität der Sicherheitskräfte.

Man sieht wie sich zum Teil nichtwehrende Teilnehmer gegen alle Normen verhaftet und dabei noch auf der Straße vor den laufenden Kameras verprügelt werden. Man kann sich nur vorstellen, was danach auf der Wache passiert.

Merkwürdigerweise wird in diesem Beitrag die Anzahl der Teilnehmer des Moskauer Marsches auf 1000 angegeben und gesagt die Petition konnte nicht übergeben werden. Davon gibt es aber Meldungen und Fotos.

1 comment:

Anonymous said...

Das war wohl der beste Beweis für die gleichgeschalteten Medien, nicht wahr?