Sunday, February 10, 2008

Kreative Kämpfer für die Freiheit

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com

21. Dezember 2006. Eine Gruppe von zehn in weiße Mäntel gekleideter junger Männer mit einem Geigerzähler bewaffnet geht zum Hauptgebäude des FSB in Moskau, weil sie – wie sie sagen – „seitdem sie von der Arbeit des FSB mit radioaktiven Substanzen erfahren haben, sich um die Gesundheit der Mitarbeiter des FSB Sorgen machen”. Ihr Versuch schlägt fehl, sie werden vorher festgenommen. Aber die Medien waren da; die Zehn kommen sogar in die Tagesthemen.

Wie kämpft man in Zeiten von Fernsehzensur und fehlender Rechtsstaatlichkeit mit den Mächtigen im Lande? Eine Frage mit der sich sicherlich alle Kämpfer für Menschenrechte auseinandersetzen müssen. Sehr häufig bleibt der eigene Protest ungehört, woraufhin die Proteste meist verkrampfter werden, bis nur noch die Entscheidung offen steht, entweder radikaler zu werden oder aufzugeben.

Wie uns die russischen Studentenbewegungen wie „My“ oder „Freie Radikale” vormachen, kann man diesen Schwierigkeiten mit Kreativität und einer gehörigen Portion Humor begegnen.

Sei es der Marsch rückwärts durch die Straßen von Moskau unter dem Motto „Back in the USSR” oder die Verneigung vor dem Großplakat „Moskau wählt Putin” vor dem Eingang zum Roten Platz im Rahmen der neuen religiösen Vereinigung „Zeugen von Putins Plan”, welche von Medien zwar permanent thematisiert aber nie gezeigt wurde, immer werden diese Aktionen von Medien begleitet. Und die Staatsmacht findet kein geeignetes Rezept um dagegen vorzugehen.

So auch im Februar vor zwei Jahren. Damals war das NGO-Gesetz in aller Munde, welches starke Hindernisse für die Arbeit von NGOs auf Russlands Boden zur Folge hatte. In den Staatsmedien gab es Berichte über alle möglichen Arten von Spionagetätigkeit, die von ausländischen Organisationen ausgehe. Die Spione würden sogar „einfach aussehende Steine für Ihre Tätigkeit” benutzen. Prompt waren die „My”-Aktivisten da, um Moskau von den verdächtigen Steinen zu befreien. Sie sammelten „besonders” verdächtige Steine und versuchten diese bei der Zentrale des FSB abzuliefern.

Natürlich wurden sie zuvor verhaftet. Aber mit der Begründung taten sich alle schwer. So wurde den Journalisten aus der Polizeistation, in welche die Aktivisten gefahren wurden, berichtet, diese seien dort von ganz allein „auf eigenen Wunsch” hingekommen. Der Staatsapparat scheint hilflos; man weiß nicht, welchen Straftatbeständ man den jungen Menschen anhängen soll. Und so kommen sie meist nur mit leichten Strafen davon.

Es soll nicht so klingen, als wäre es ungefährlich, solche Aktionen in Russland durchzuziehen. Das zeigte zum Beispiel neulich die illegale Zwangseinweisung des Leiters der Studentenbewegung „Oborona”, Oleg Kozlovsky, in die Armee. Es gibt auch tödliche Beispiele der Rache des Staates. Aber das nur am Rande.

Die Medien mögen die kreativen Aktionen aus einem natürlichen Grund. Sie bieten ihnen die Möglichkeit, ungewöhnliche Überschriften zu produzieren. Wichtiger ist aber die interne Wirkung auf die Teilnehmer. Außer der politischen Nachricht ist die Demonstration ein „cooles” Event, von dem man auch gern anderen erzählt. Durch den Humor wird auch die eigentliche aufgestaute Aggression auf die Unterdrücker gewaltfrei abgelassen. Die Radikalität wird damit unterbunden und gemäßigte Bevölkerungsgruppen können eher an solchen Demonstrationen teilnehmen.

Hier noch ein schönes Beispiel ihrer Tätigkeit: Als im Oktober letzten Jahres die Lebensmittelpreise auf der ganzen Welt und auch in Russland anzogen, hieß es: „Die Preise werden eingefroren.” Daraufhin organisierten Aktivisten von „My” und „Oborona” eine künstliche Schlange vor einem großen Supermarkt in der Innenstadt. Sie stritten lautstark über ihren Platz in der Schlange, verteilten Zettel mit Platznummern und Coupons zum Erwerb der pro Person angemessenen Menge Zucker, Milch usw. Kurzum, sie versuchten die Menschen an die Zeit zum Ende der Sowjetunion hin zu erinnern, als künstlich gefestigte Preise zu leeren Regalen in den Märkten führten. Ein Phänomen, das allen ehemaligen Bürgern der DDR bekannt sein dürfte.

Es scheint also etwas zu geben was wir uns vom politischen Leben in Russland abgucken könnten. Wer hätte das gedacht?

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