Saturday, December 22, 2007

Politischer Gegner zwangseingewiesen

Diesen Artikel gibt es ab sofort unter http://dejarus.wordpress.com

Oleg Kozlovsky, Gründer der oppositionellen Bewegung "Oborona" (rus. Verteidigung), wurde vor einigen Tagen gegen seinen Willen von der Polizei zum Voenkomat (ähn. Kreiswehrersatzamt) gebracht und in die Armee zwangseingewiesen. Diese Zwangseinweisung ist rechtswidrig, da Oleg bereits an der Universität, wie andere Studenten, die militärische Ausbildung absolviert (voenaja Kafedra).

Um gegen die rechtswidrige Einweisung zu protestieren, hat Kozlovsky sofort einen Hungerstreik erklärt. Daraufhin wurde er in dieser Nacht von seinem ursprünglichen Einsatzort in der Moskauer Umgebung nach Ryasan verlegt. Dies bestätigte auch seine Mutter in einem Interview dem Radio Sender "Echo Moskvy".

"Oborona" ist eine Vereinigung junger Erwachsener, meist Studenten, die Ihre Freiheiten im jetzigen Regime beschränkt sehen und für deren Erhalt bzw. Wiedererlangen einstehen. Oleg Kozlovsky hat hier die Motive der von ihm begründeten Bewegung in English geschildert. "Oborona" ist Teil des Bündnisses "Anderes Russland".

Eine Einweisung in den Wehrdienst ist für einen intellektuellen Moskauer, insbesondere wenn der Dienst weit ab von der Hauptstadt abgeleistet werden soll, ein Vorgang, der den Menschen in eine lebensbedrohliche Situation bringt. Auf dem Land werden Moskauer grundsätzlich beneidet, da der Lebensstandard in Moskau den russischen Durchschnitt um ein Vielfaches übersteigt. Aber auch ohne dies ist der Wehrdienst in Russland eine tödliche Angelegenheit. Es sterben hierbei jährlich mehr Soldaten als Amerikaner im Irakkrieg! Folterungen, Beleidiungen, Prügel der schlimmsten Art sind Alltag in der russischen Armee (ich bin im Moment auf der Suche nach einer Statistik).

Hier nur Einiges, was in die Öffentlichkeit geschafft hat: Es gibt Fälle von Wehrpflichtigen, die zuerst verprügelt werden, dabei Knochenbrüche in den Beinen und dem Unterleib- Bereich erleiden, und dann ohne Nahrung und medizinische Hilfe auf einem Fleck in der Kaserne hinterlassen werden, um dort nach 3 Tagen grauenvoll zu enden. In einem anderen Fall wurde der Verprügelte den Hunden zum Fraß vorgeworfen und von diesen fast restlos verspeist. So etwas kennen wir hier nur aus Horrorfilmen. Das sind aber nur die schrecklichsten Schicksale. Es gibt Hunderte, die sich erhängen, aus dem Fenster springen, oder anders den Peinigern zuvorkommen.

Diese Einweisung ist eine echte Verschlimmerung der Lage der Oppositionellen in Russland. Zwangseinwesungen, gut bekannt aus den Sowietzeiten, wurden in der Putinzeit bisher nur gegen radikale Gruppierungen, wie die Nationalbolschewiken angewandt. Diese kämpfen zwar auch mit Kasparow im Bündniss "Einiges Russland", sind aber gewaltbereit und sehr radikal. "Oborona" hingegen ist eine liberaldemokratische Vereinigung, hervorgegangen aus jugendlichen "Jabloko" Flügel.

Update: Oleg wurde letzte Woche von der medizinischen Kommision der Armee für nur bedingt wehrtauglich befunden, d.h. er wird nur im Kriegsfall eingezogen. Sobald dieses von einer ausführenden Stelle der Armee bestätigt wird, soll er frei kommen.
Er scheint Glück gehabt haben.

Nichts desto trotz, die Verein der Soldatenmütter spricht von über 3000 illegal Eingezogenen in der Zeit vom Oktober bis Dez 2007.

2 comments:

Rusinform said...

Ich habe noch keine Unabhängige Statistik gefunden, werde aber versuchen die nachzutragen. Der Umgang mit offiziellen Statistiken insbesondere in diesem Bereich der russischen Öffentlichkeit sollte sehr vorsichtig geschehen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wenn es um wirtschaftliche Entscheidungen größerer Firmen in Russland geht, keiner sich auf die Statistiken der Rosstat (ähn. Statistisches Bundesamt) verlässt.

Und Vadim, sie haben erst bei ihrem letzten Kommentar zu meinen Post "Lange nicht mehr so gelacht", was neues bitte.

Rusinform said...

Nun die Statistik, die man so behandelte, war die Einkommensstatistik der russischen Bevölkerung. Man hoffte die, dass zumindest die relative Veränderung realitätsnah war, das absolute Niveau wurde von keinem ernst genommen.